ZOBODAT ist etwas ganz Großes!
Es ist DIE Datenbank mit der umfangreichsten Sammlung an zoologischen und botanischen Schriften in deutscher Sprache.
Sie steht jedem zur Verfügung. – Vorausgesetzt man kennt sie.
Wäre es nicht schön, wenn alle jemals veröffentlichten Berichte über zoologische oder botanische Themen in deutscher Sprache an einer Stelle recherchierbar sind und man auch Hintergründe (Personen, Biografien) der Forschung dort finden würde? Für eine thematische Recherche sind solche Mittel eigentlich unverzichtbar. In tschechischer Sprache gilt sicher die gleiche innovative Fragestellung.
Aktuell beschäftige ich mich mit dem Aufbau eines Suchmaschinen-Index, um die Nichtverfügbarkeit einer solchen Vision für online-Publikationen der letzten Jahrzehnte etwas auszugleichen. Über das erfolgreiche Resultat einer vor über 50 Jahren noch viel wesentlicheren Innovation möchte ich im Folgenden berichten.
Publizieren, Inhalte vermitteln: Dumm daher reden kann jeder. Für verlässliche Aussagen bedarf es Recherchen. Und Google & Co inklusive Google Scholar eignen sich nur begrenzt bei biologischen Themen, sofern es sich um enge territoriale Fragestellungen handelt, da sehr viel Feldforschung von Menschen in ihrer Freizeit erfolgt. Menschen mit teils extrem guter Artenkenntnis. Nicht automatisch Menschen, die nach einem Biologiestudium an einer wissenschaftlichen Einrichtung arbeiten. Die Ergebnisse landen also auch nicht zuerst in biologischen Fachzeitschriften, wo wir sie dann mit z.B. Google Scholar wieder auffinden.
Gehen wir rund 80 Jahr zurück ins Jahr 1946. Ein 20ig-jähriger sehr vielseitig interessierter junger Mann beginnt sein Studium der Chemie unmittelbar nach dem Krieg 1946 an der Uni in Wien. Es ist Ernst Rudolf Reichl. Nach dem Studium ging er an die Universität für Bodenkultur in Wien. Eine kleine, bereits 1872 gegründete kaiserlich und königliche Universität mit nur einigen hundert Studenten. Dort arbeitete er an seiner Promotion, die er 1955 abschloss. Er war durchaus technisch interessiert und von den damals aufkommenden ersten Computern fasziniert, die insbesondere IBM für Firmen produzierte. Das Potential dieser Computer-Anlagen1Damals waren Computer noch keine kleinen Geräte für den Schreibtisch oder die Hosentasche, sondern benötigten zumeist einen eigenen, meist separat klimatisierten Raum mit samt ihrer Peripherie von Eingabegeräten, Magnetband- oder Trommelspeichern und Druckern. war ihm bewusst. Bei der Anwendung dieser innovativen Technologie wollte er unbedingt dabei sein. Er durchlief erfolgreich einen Aufnahmetest bei IBM, wurde aber auf Grund seines inzwischen “fortgeschrittenen” Alters von 35 Jahren nicht eingestellt. Wie die nachfolgende Historie zeigt, war offenbar schon damals das zuständige Assessment-Center eher ein Filter für “Normalos”, nicht aber für Überflieger.
Statt dessen war er in der Zwischenzeit als Geschäftsführer für ein österreichisches Tochterunternehmen tätig, das allerdings nicht lange überlebte. Ernst Rudolf Reichl machte aber in dieser Zeit der IBM schon bemerkbare Konkurrenz. Was ihm dann aber doch noch einen gut dotierten Job bei IBM einbrachte. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, an der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, der heutigen Johannes Kepler Universität, einen IBM Großrechner zu installieren. Und schon wieder konnte er mit seinen Kompetenzen überzeugen, sodass er nicht lange danach erste Vorlesungen an dieser Uni hielt und 1973 folgte er dem Ruf als Universitätsprofessor für Informationssysteme und betriebliche Datenverarbeitung an dieser Universität an der er sogar ab 1981 für zwei Jahre als Rektor tätig war.
Bereits in dieser Zeit war Reichl mit dem Aufbau des Instituts für Bioinformatik betraut. Es gehörte zum Biologiezentrum des Oberösterreichische Landesmuseums. Wir sind im Jahre 1982. Doch was hat ihn ausgerechnet mit einem Biologiezentrum zusammen gebracht?
Zurück zum Jahr 1966. Reichl war nicht nur an neuesten Technologien interessiert. Ihn faszinierten seit seinen frühen Jugend-Jahren auch die Kreaturen der Natur. Allen voran die Schmetterlinge. Schon damals war er Mitglied der Entomologischen Arbeitsgemeinschaft am Oberösterreichischen Landesmuseum. So hat er sich seit jungen Jahren mit Schmetterlingen befasst. Und irgendwann hat er sich dort auf die Spezies der Widderchen konzentriert. So war er nicht nur Mitglied der Entomologischen Arbeitsgemeinschaft, sondern bereits ab 1966 der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft geworden. Er leitete diese AG 27 Jahre lang. Natürlich haben er und seine AG-Kollegen in dieser Zeit auch sehr viel entomologisch publiziert.
Ernst Rudolf Reichl ist ein Musterbeispiel für eine gar nicht so untypische Konstellation aus technischem Fachmann, hier zugespitzt auf die Computertechnik seiner Zeit, bei gleichzeitiger (freier) biologisch orientierter Spezialisierung, die sich im Folgenden in einer Synergie entlud, die nun schon seit mehreren Jahrzehnten, über fast 30 Jahre nach seinem Tod 1996, fort wirkt.
Ernst Rudolf Reichl erkannte früh, dass mittels Rechentechnik eine effiziente Verwertung von faunistisch zusammengetragenen Informationen möglich ist. Er war zu dieser Zeit noch sehr auf entomologischen Ergebnissen orientiert. Somit gründete er 1972 die virtuelle “Institution” ZOODAT, die sich zu Beginn eben auf diese entomologischen Publikationen konzentrierte. Ja: 1972 schon war Virtualität präsent, wenngleich der Begriff der Virtualität noch nicht zum Modewort wurde. ZOODAT war eine rein virtuelle Institution, wenn man eine Datenbank als Institution bezeichnen darf. – Man darf, wie wir gleich noch sehen werden.
Man sollte anmerken, dass es zu diesem Zeitpunkt noch rund 20 Jahre dauerte, ehe auch eine weltweite Netzwerkkommunikation in allen Forschungseinrichtungen etabliert war, um auch remote eine solche Datenbank anzuzapfen. 20 Jahre vorher, bevor es begann, dass private Nutzer Teil dieses Internet worden, indem sie ein Modem an ihren Kleincomputer anschließen konnten, auf das der Festnetz-Telefonhörer abgelegt wurde, um Verbindung zu erhalten. Das WWW, wie wir es kennen, war da noch nicht mal die erste Adresse, sondern neben E-Mail vor allem das Usenet. – Eine Zeit, 1996, zu der Reichl bereits starb. – Eine Zeit zu der seine Datenbank noch nicht online war, wie wir heute zusagen pflegen. – Wie faszinierend wäre erst die Nutzung von KI für ihn gewesen, wie wir es inzwischen von Google Lens oder auch Birdnet gewohnt sind?
Man liest, in diesem Fall auch auf Wikipedia, dass in solch einem Fall, hier also Ernst Rudolf Reichl, berufliche und private Leidenschaften vereinigt werden konnten. Das Eine ein Beruf, das Andere nur eine Leidenschaft? Aus Sicht eines Wissenschaftlers ist so eine Deklarierung nach Beruf und Leidenschaft völliger Humbug. Wissenschaft speist sich oft genug durch die Verbindung mehrere eigentlich grundsätzlich verschiedener Fachgebiete. Das Wissen aus dem Beruf von Ernst Rudolf Reichl ist die Methode für die wissenschaftlichen Impulse von Ihm. In diesem Fall die Zusammenfassung von Erkenntnisniederschriften.
1999 wurde ZOODAT vom Land Oberösterreich übernommen und gleichzeitig in ZOBODAT umbenannt. Seit diesem Zeitpunkt wird die Datenbank inhaltlich deutlich erweitert und u.a. auch botanische Publikationen aufgenommen. Erst 2000 ist sie im Internet für Recherchen erreichbar und inzwischen mehrfach überarbeitet worden.
ZOBODAT, die Zoologisch-Botanische Datenbank, ist eine digital organisierte biogeographische Datenbank, einschließlich Analyse-, Dokumentations- und Kommunikationseinrichtungen, mit Sitz am Biologiezentrum des Oberösterreichischen Landesmuseums.
https://de.wikipedia.org/wiki/ZOBODAT
Zobodat ist inzwischen eine Institution, wie wir den Begriff heute verstehen: Die Zahl an archivierten und indizierten Dokumenten wird von Zobodat nicht angegeben. Seit zwei Wochen indiziert meine Suchmaschine u.a. auch die Zobodat-Datenbank. Über 180 Tausend Einzeldokumente, zumeist ganze Zeitschriften konnten innerhalb 2 Wochen von mir indiziert werden. Es sieht an Hand der Crawler-Daten so aus, dass das noch nicht mal die Hälfte aller Veröffentlichungen ist.
Zobodat.at ist die einzige mir bekannte Datenbank, die derartig umfassend für den deutschsprachigen Raum historische bis aktuelle Publikationen enthält. Selbstverständlich lag der Fokus bisher auf Publikationen mit östereischischem Bezug. Jedoch gibt es weder in Deutschland noch der Schweiz ein annähernd so voluminöses Gebilde:
Zobodat ist eine Instanz. – Danach gibt es nur noch Kleinstaaterei.
Meine eigenen Erfahrungen mit der Indizierung zoologisch-botanischer Schriften in deutscher Sprache.
(Dieser Artikel entstand im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines Indexes und damit einer Suchmaschine zu deutsch- und tschechischsprachigen Publikationen aus dem Bereich Zoologie und Botanik. Derzeit ist der größerer Teil der indizierten Dokumente auf Zobodat und der Tschechischen Wikipedia basierend. Auf Grund der Komplexität wurde die deutsch- und englischsprachige Wikipedia noch nicht umfassend indiziert. Der Schwerpunkt der indizierten Dokumente liegt eher auf den schwierig zu findenen Publikationen, weshalb für den initialen Crawl-Vorgang noch mindestens einige Wochen benötigen wird. Die Suchmaschine wird erst online gehen, wenn die fachliche Breite deutschsprachiger online-Veröffentlichungen indiziert ist. Die Indizierung tschechischer Inhalte gestaltet sich als noch komplexer und wird entsprechend einen größeren zeitlicheren Rahmen benötigen.)
- 1Damals waren Computer noch keine kleinen Geräte für den Schreibtisch oder die Hosentasche, sondern benötigten zumeist einen eigenen, meist separat klimatisierten Raum mit samt ihrer Peripherie von Eingabegeräten, Magnetband- oder Trommelspeichern und Druckern.
Frank 26. Juli 2023 — Autor der Seiten
Zum Neugierig-Machen habe ich das Artikelbild durch ein Deckblatt ersetzt, dessen Gesamtwerk auch auf Zobodat zu finden ist.
1735 brachte Ritter Carl von Linné die erste Ausgabe seiner Systema Naturæ auf 12 bedruckten Seiten in Format einer mittelgroßen Zeitungsseite heraus. Im Jahr 1758/59 kam die bedeutsame 10. Auflage heraus, in der die von Linné entwickelte binäre Nomenklatur das erst mal angewendet wurde, die bis heute in der Zoologie und Botanik verwendet wird. Ab 1776 erschien dann die letzte, 12. Auflage von Linné, die bereits einen beträchtlichen Seitenumfang erreicht hatte: Das Tierreich in zwei Bänden mit zusammen 1327 Seiten, das Pflanzenreich auf 736 Seiten und 222 Seiten für Mineralien, für die Linné ebenfalls die binäre Nomenklatur nutze. Er baute dabei auf einige große Sammlungen auf, nutzte einige Reisen und Unterstützung Dritter zum Studium sowie schickte selbst 17 “Schüler Linnès” auf Reisen um Pflanzenmaterial zu sammeln.
Der Doppelband von Linnés Tierreich in dieser 12. Auflage wurde durch Philipp Ludwig Statius Müller, auch auf Basis von Maarten Houttuyns “Natuurlijke Historie”, von 1773 bis 1775 in eine deutsche Version übertragen. In einem Nachtrag 1776, seinem Todesjahr, kamen von ihm weitere Erstbeschreibungen hinzu. In allen diesen Ausgaben wurden auch deutsche Namen hinzugefügt, die teilweise auch “neu erfunden” werden mussten, weil es bis dato noch keine deutschen Namen gab.
Im ersten Band zum Tierreich, “Von den säugenden Thieren”, ist außerdem eine längere philosophische Passage zu der Frage enthalten, ob man Tieren eine Seele zusprechen kann. Diese Passage verwundert nicht, da Statius Müller nicht nur Theologie sondern auch Philosophie studierte und seine modernen Ansichten nicht unbedingt im Einklang mit der damaligen Kirche stand. Als Professor an der Uni in Erlangen konnte er seine fachliche Vielseitigkeit ausleben, die eben auch die Naturwissenschaften betraf. Überhaupt sind die Einleitungen zu den Bänden sehr interessant zu lesen. Man bekommt einen Einblick in die damalige Denkweise fortschrittlicher Naturwissenschaftler.
Alle von Statius Müller herausgegebenen Bände sind bei Zobodat aufzufinden. Man nutze die Suchanfrage:
https://www.zobodat.at/publikation_series.php?q=Philipp+Ludwig+Statius+M%C3%BCller&as_l%5B0%5D%5Bi%5D=year&as_l%5B0%5D%5Bqt%5D=smaller&as_l%5B0%5D%5Bv%5D=1800&as_l%5B1%5D%5Bi%5D=
Frank 4. August 2023 — Autor der Seiten
Noch ein Hinweis zur Einschränkung:
Zobodat enthält auch sehr viele alte Schriften in Frakturschrift. Leider wurde bei der Digitalisierung eine Texterkennung (OCR) eingesetzt, die diese Schrift nicht erkennen kann. Insofern ist diese gewaltige Menge an Dokumenten bisher nicht wirklich durchsuchbar.
Leider finden sich auch Scanns, die vom Mensch zwar gut gelesen werden können, wo jedoch die Zeichenerkennung ebenfalls Probleme hatte. Das ist im Prinzip mit begrenztem Aufwand lösbar, indem die Dokumente nochmals vollautomatisch überarbeitet werden. Mal sehen, wann das passiert.
Und dann gibt es auch noch Scanns, die deutlich zu stark komprimiert wurden. Dort wird eine Überarbeitung wenig Erfolg bringen.
All diese Einschränkungen gehen in der Regel nicht auf Zobodat selbst zurück, da die eigentliche Scann-Arbeit an vielen Stellen auf der Welt stattfand und nicht Teil des Zobodat-Projektes sind.