Hat man einmal den Sound an diesem Ort (sonus hoc loco), kann man damit Verschiedenes anstellen. Zum Beispiel am Projekt Locus Sonus teilnehmen.
Was die Webcam zum Ort-und-Leute-Begucken ist, ist ein Open Microphone zum Ort-und-Leute-Behorchen.
Das Leute-Behorchen ist bei uns eher der Ausnahmefall. Soweit nicht gerade jemand in der Nähe der Mikrofone zeltet. Dann schnarcht es halt einige Stunden lang.
Nein. Wir möchten den Sound des ruhigen Dorfes anbieten. Die Dorfstraße ist zwar keine Sackgasse. Das wäre natürlich noch schöner. Zumindest für den ungestörten Sound. Aber sie wird auf Grund ihrer Einbettung in die Verkehrsinfrastruktur der Umgebung eher nur für lokale Fahrten benutzt. Bis auf den Bus. In Tschechien sind auch auf dem Land die öffentlichen Verkehrsmittel mit verhältnismäßig dichter Abfolge gut etabliert. Hier, in Karlin, durch regelmäßigen Busverkehr von Montag bis Freitag kommt dann noch an allen Tagen die Eisenbahn dazu. Wenn man das Auto nicht benötigt, um eine weiter entfernte Arbeitsstelle zu erreichen, öfters Zeugs fürs Haus transportieren muss oder es einfach bequem haben will, dann sind die öffentlichen Verkehrsmittel eine Alternative, die die Kosten für das Auto tatsächlich obsolete machen. Gerade im Schluckenauer Zipfel, das ist hier die Region zwischen Dolni Poustevna bis Rumburk, also ein Zipfel Böhmens der in in die Oberlausitz hineinragt, ist die Arbeitssituation nicht so dolle und die Arbeitslosigkeit entsprechend erhöht bzw. die Verdienstmöglichkeiten für viele Leute begrenzt. Der öffentliche Nahverkehr ist jedoch auch in so einer, von größeren urbanen Regionen, wie Liberec, und erst recht Prag ein ganzes Stück entfernt, verhältnismäßig gut. Hier gibt es nicht 1 oder 2 Busse am Vormittag, sondern einen stündlichen Verkehr beginnend sehr zeitig am Morgen.
Dazu die Eisenbahn aller 2 Stunden. Übrigens Grenzüberschreitend in Richtung Sebnitz und Bad-Schandau.
Neben den Autos gibt es dann noch ein paar wenige Hunde. Aber auch das ist alles recht maßvoll:
Sound in Karlin enthält also tatsächlich
sehr viel ungetrübten Naturklang.
Was ist nun Locus Sonus? Das stille Örtchen mit gelegentlichem resonanten Gedärmentlastungssound?
Nein. Locus Sonus ist ein langjähriges künstlerisch-wissenschaftliches Projekt. Das Paper “Networked sonic spaces” 1Networked sonic spaces: https://www.ininet.org/networked-sonic-spaces.html beschreibt das Projekt folgendermaßen:
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 beschäftigt sich die Forschungsgruppe Locus Sonus1 mit den künstlerischen Möglichkeiten, die sich aus der Überschneidung von vernetzten und akustischen oder lokalen Audio-Räumen ergeben. Die ersten Projekte, Locustream & Wimicam, entstanden aus Experimenten mit Audio-Streaming-Techniken und befassen sich mit der Problematik der Nutzung von Flux für künstlerische Zwecke (Flux hier verstanden als ein sich ständig aktualisierendes Medium) in lokalen und vernetzten Umgebungen. Heute gliedert sich unsere Forschung in zwei Hauptbereiche: Feldverräumlichung und vernetzte Klangräume. Unsere Forschung ist grundsätzlich praxisorientiert und zielt darauf ab, einen Korpus künstlerischer Experimente rund um eine gemeinsame Problematik zu schaffen. Die Formen, die aus dieser Aktivität hervorgehen, werden im Wesentlichen durch ihre Präsentation in öffentlichen Kontexten “verifiziert”. Die Entscheidung, diese Forschung im Rahmen der Kunsterziehung durchzuführen, wird durch die gegenwärtige Erneuerung von Techniken und Kunstformen an der Schnittstelle zwischen bildender Kunst und Musik motiviert.
Das Projekt Locus Sonus läuft auch heute noch. Rund 20 Jahre nach dem Start
Unser Sound ist nun Bestandteil von Locustream! Öffne die Map und navigiere nach Tschechien:
Wir sind
Der von uns bereit gestellte Sound kann von jedermann für seine Zwecke genutzt werden. Sei es, um sein BirdNetPi zu testen, Background-Sound für ein Video mitzuschneiden, oder… Was kann man noch alles mit Sound aus einem Open Microphone?
Falls Du rein gehört hast: Hast Du die Grenzen der Soundqualität bemerkt? Als dominierenden Ton für ein Natur-Video gibt es mit diesem Stream Grenzen. Die sind physikalisch bedingt. Je weiter das Mikrofon von der Quelle entfernt ist, um so beschränkter ist die Aufnahmequalität. Hohe Töne treten zurück und werden durch Rauschen oder Fremdgeräusch ersetzt. Tiefe Töne dringen weit und mit hoher Intensität. Klingen dumpf und unspezifisch. Das macht das Sounderlebnis von in die offene Landschaft gestellten Mikrofonen oft erstaunlich ernüchternd. Gegen das Dominanzproblem tiefer Frequenzen, vor allem von Fahrzeugen, hilft der Equilizer. Dafür ist dann der Waldkauz oder erst recht ein Uhu schlechter zu hören. Und unser eigentlich plätscherndes Brunnenwasser verkommt in der Entfernung zu den Mikrofonen zu einem dumpfen, ungewohnten Gerumpel.
Aus diesem Grund hat unser System einen Filter, der die Intensität tiefer Frequenzen dämpft. Aber es gibt keinen optimalen Filter für alle Soundquellen. Damit muss man leben. Wir stellen unseren Filter so ein, dass er für ein Hintergrundgeräusch im Raum (also nicht-dominant), wie auch zur automatischen Erkennung von Vogelstimmen mit BirdNetPi geeignet ist:
Drehe den Lautstärkeregler nur so weit auf, dass das Hintergrundrauschen nur ein ganz, ganz klein wenig zu hören ist. So, dass es nicht stört. Oder stelle den Sound noch ein wenig leiser, bis Du überhaupt kein Rauschen mehr hörst. Dann hast Du den Pegel gewählt, für den wir den Sound “justieren”.
Naja. Und bei Regen gibt es halt im Moment noch Störgeräusche: Wir haben einen akustisch durchlässigen Regenschutz, aber noch keine Einrichtung, die fallende Tropfen auf diesen Regenschutz verhindert. Ideen sind vorhanden. Aber das muß noch gebastelt werden: Ein Regenauffang, der die fallenden Tropfen unhörbar macht, trotzdem aber den Schall über den Mikrofonen nicht dämpft.
- 1Networked sonic spaces: https://www.ininet.org/networked-sonic-spaces.html